Mittwoch, 26. September 2012

Es war einmal

Eine kleine Spinngeschichte

Es war einmal eine Spinnbetti, die ging durch diese schöne Welt und freute sich des Lebens.
Den lieben langen Tag sprang sie umher, immer ein (schiefes) Liedchen auf den Lippen und eine Handspindel in der Hand. Unablässig rann weiche, flauschige Wolle durch ihre Finger, und sie sponn einen Faden so dünn wie eine Spinnwebe und so schön wie das güldene Haar von Rapunzel.
Sie liebte es, mit der Handspindel durch den Garten, den Wald, das Haus zu spazieren. Sie nahm ihre Spindel mit auf Reisen, wanderte mit ihr durch Tag und Nacht, Täler und Höhen, von den Bergen bis zum Meer.
Nach und nach gesellte sich Spindel zu Spindel, bis sie am Ende eine große Herde beisammen hatte.
Sie war glücklich.

Eines Tages, da geschah ein Unglück.
Die Spinnbetti hüpfte wie immer durch ihren Garten, als sie plötzlich umknickte , zu Boden fiel  und sich ein Bein brach. (Um genau zu sein, es war das Linke.)
Monatelang trugen ihre 2 Beine  sie nicht  - das rechte trug fast alles -  und vorbei war es mit der Hüpferei und dem Spinnen.
 „Wenn ich doch nur sitzen könnte beim Spinnen und richtig viel Spinnen könnt! Ich wär der glücklichste Mensch auf Erden!“ rief sie verzweifelt  aus.

Da kam eine Fee in Gestalt einer ehemaligen Freundin zu ihr und sprach:
 „Schau doch mal, was ich hier habe! Ich brauche es nicht mehr, denn ich habe ein viel schöneres, nigelnagelneues, blitzendes und funkelndes Ding wie das. Dieses hässliche, alte, das brauche ich nicht mehr – es quietscht auch noch! Nimm Du es, wenn Du magst!“

Spinnbetti schaute sich das Gerät an. Schön war es wirklich nicht mehr, hier und da hatte es eine Macke im Holz, der Riemen um die Bremse war zerrissen, das Kugellager – nun ja...aber  sie hatte Mitleid mit dem armen Ding, und so zog es in die Spinnbude ein. 
Lange stand es in der Ecke und konnte sich an die neue Umgebung gewöhnen. Denn Spinnbetti war dieses dunkle Ding suspekt, und obwohl sie ihm aus Mitleid ein Obdach bot, lag sie lieber leidend mit ihrem gebrochenen Fuß herum, strickte und häkelte, und war missgelaunt, denn das Handspinnen war kaum mehr möglich.

Eines Morgens jedoch, da schien die klare, kühle Wintersonne ins Haus und warf ihr  Licht direkt auf einen Berg weisser Wolle. Die Spinnbetti humpelte zu dem Berg, nahm einen Batzen Wolle heraus und drehte sich um. Ihr Blick fiel aufs Spinnrad. Und wie von fremder Hand geführt, stolperte sie zu ihm, setzte sich hin und begann zu spinnen.
Es quietschte wirklich sehr und klapperte laut. .Das Rad wurde langsam wach,  strengte sich an, den unbeholfenen Tritten der Spinnbetti zu folgen, preschte schnell vor und versuchte, einen Rhythmus zu finden. An dem Tag legte sie abends 200 g schönes weisses Garn ins Regal. Es war hier dick und da dünn, es war lustig verzwirnt, es war dort kratzig und dann wieder flauschig, kurz: es war das schönste, weisse  erste Garn, das je auf einem Spinnrad gesponnen wurde.

Am nächsten Tag schon waren die beiden richtige Freunde. Und weil sie sich so gut verstanden, beschloss Spinnbetti , dass es nun an der Zeit sei: das Rad sollte erfahren, wie es ist, Seide und hochfeines Merino zu verspinnen. Sie grübelte und zog eine Zauberin zu rate. Diese lebte in einem flachen Kasten hinter Glas und war nur über einen  verschlungenen Weg zu erreichen, den  man mit Hilfe von kleinen Kästchen mit Buchstaben drauf, finden konnte. Spinnbetti probierte ein wenig und schwups – öffnete sich die Schatzkammer der Zauberin , die über diesese magische Gerät ihre zauberhaften Wollwaren feilbot.
Spinnbetti verliebte sich sofort in 2 Kammzüge, und die Zauberin , die noch heute „Knitting Spiro“ gerufen wird, veranlasste, dass diese auch ihren Weg zur Spinnbetti fanden.
Endlich war es soweit. Spinnbetti nahm den einen Kammzug, der ihr so ausserordentlich gut gefiel, aus der Tüte, zuppelte ein wenig hier und da und hielt den Atem an.
Dann ging es los.
Doch - oh weh! Das Rad, mittlerweile an das gute, weisse, robuste Garn gewöhnt, wollte sich so gar nicht mit den edlen Fasern anfreunden. Es wollte regelrecht ausreissen.
Schnell versuchte sie, die Fasern leicht fliessen zu lassen und zu spinnen! Und es gelang! Das Rad zog die Fasern so flnk ein, dass Spinnbetti die Puste ausging. Sie  schob sie hinterher, bemüht, die Fasern nicht zu verlieren. Das Rad drehte immer schneller und schneller, Spinnbetti auch-  und ratz-fatz war der Kammzug versponnen.

Natürlich war das Garn nicht gleichmässig. 
Es war hier dick und da dünn, es  war lustig verzwirnt, aber  es war flauschig weich!
Und es war das schönste, bunte erste Garn,das je auf einem Spinnrad gesponnen wurde!

Heute, nach vielen Jahren, da spinnt die Spinnbetti immer noch mit der Handspindel und geht mit ihr spazieren. Und natürlich spinnt sie viel mit dem Rad, denn sie sitzt jetzt so gerne.
das allererste bunte, handgefärbte Handgespinst, gesponnen auf meinem alten, gebrauchten Rad. Ich weiss nicht mehr, wann das war - aber soooo lange ists nicht her, vielleicht 3 Jahre.
 Längst sind andere Räder eingezogen und die Handspindeln haben sich noch weiter vermehrt (wie die Karnickel!).
Das alte Rad, das steht immer noch in der Ecke, wie einst.
Es steht dort, wo sich das Leben abspielt, in der Wohnstube.

In dunklen Stunden oder dann, wenn sie etwas tüdelig launisch ist (Ihr müsst wissen,auch Spinnbettis hüpfen nicht immer oder singen nur  schiefe Lieder!), dann holt sie das alte Rad aus der Ecke, nimmt besonders feine Fasern in die Hand und spinnt...

Das allererste, bunte Garn, das hat sie immer noch, und trägt es manchmal um den Hals.
Und auch, wenn sie heute mit dem Rad längst Fäden spinnt, die so dünn sind wie eine Spinnwebe und schön wie das güldene Haar von Rapunzel, so ist doch keines so schön, wie dieses allererste bunte Garn.

1 Kommentar:

Daphne hat gesagt…

Was für eine schöne Geschichte und ein schönes erstes Garn.

Grüße,
Daphne