Montag, 16. November 2009

Der Wert eines Kindes

ist derzeit für die Stadtväter in "meiner" Stadt Reinfeld(Holstein) nicht zu gering zu bemessen.

Gut ein Viertel der Reinfelder Bevölkerung sind Kinder und Jugendliche.
Seit Jahren werden ihre Belange und Interessen ignoriert und nach hinten gedrängt.
Bis heute gibt es kein freies Jugendzentrum - eine Forderung, die schon seit Jahren immer wieder formuliert wird.
Neubaugebiete werden ohne Spielplätze gebaut, Schulwegsicherung ist immer noch ein Zauberwort.

Der aktuelle Knüller aber, der ist bisher beispiellos.

Die Stadt ist Schulträger der örtlichen Grundschule, die derzeit ca. 600 Kinder besuchen.
Sie liegt im Herzen der Stadt, am Marktplatz, und bietet den vielen Schülern einen Pausenhof, der einstmals in tristem Betongrau strahlte.
Um die ziemlich anstrengende und unübersichtliche Pausensitutation zu entspannen, wurde bei der Gebäudeerweiterung 1994 geplant, diesen schöner zu gestalten. Nun gibt es um den Anbau herum einen sogenannten kleinen Schulhof und den alten, liebevoll und voller Leidenschaft gestaltet von den Eltern und Schülern und ausgestattet mit reichlich Spenden.
Immer noch erscheint dieser Platz zu klein und ist es wahrscheinlich auch, zumindest erfüllt er sicher nicht die gemäß DIN 18031/34 festgelegte Fläche von
5 m² Pausenhof pro Schüler .

Nun lesen die Eltern Reinfelds dieser Tage voller Überraschung in der Zeitung, dass auf dem Marktplatz ein Discounter entstehen wird, um mehr Kaufkraft in die Stadt zu bringen. Dieser Discounter hat vor 3 Jahren die Innenstadt und seinen Standpunkt in der benachbarten Hauptgeschäftsstraße des Ortes verlassen, um wie viele andere Discounter auch, in ein autobahnnahes Gewerbegebiet zu ziehen.
Ah ja - nun gut - wenn der Discounter mir dann auch automatisch 200 Euro mehr ins Portemonaie legt für meine Kaufkraftsteigerung, dann ist das ja ne feine Sache!

Der eigentliche Skandal ist aber der, dass man dann liest: dafür wird etwas vom Schulhof weggenommen.

Ungefähr ein Drittel des Schulhofes wird für den Neubau des Discounters geraubt.
Ein Drittel von den wahrscheinlich nicht vorhandenen vorgeschriebenen 3000 m² Pausenhof.
Also gibts in Zukunft Drängelei, Bewegungsmangel und ein erhöhtes Aggressionspotential.
Dazu kommt der Blick auf Gebäude, Parkplätze usw. statt in das bisher vorhandene Grün.
Die Kinder würden sich den Weg in die Schule über einen Supermarktparkplatz suchen, bis an die Klassenfenster heran soll es Parkplätze geben und dafür Schulgarten weggenommen werden,(denn der Dicsounter fordert mehr als bisher vorhanden sind), ein Fußweg zur nahen (und fast leeren) Einkaufspassage soll über das Schulgelände geführt werden, das heißt die Passanten würden ständig an den Klassenzimmern vorbei gehen.
Wenn man der Presse glauben darf, dann enstünde dieser Discounter 6 m neben dem Mensa-anbau.
Angeblich würde der Discounter nur 2 mal pro Woche beliefert.

Lärm, Unruhe und mangelnde Bewegunsfreiheit, die dieses Vorhaben mit sich bringt, stehen natürlich in keinerlei Verbindung zum Schulgesetz Schleswig-Holsteins, in dem es in
Abschnitt II , § 4, Absatz 2, heißt: "(2) Es ist die Aufgabe der Schule, die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten des jungen Menschen unter Wahrung des Gleichberechtigungsgebots zu entwickeln. Der Bildungsauftrag der Schule ist ausgerichtet an den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten, den sie begründenden christlichen und humanistischen Wertvorstellungen und an den Ideen der demokratischen, sozialen und liberalen Freiheitsbewegungen".
Da versagt der Schulträger vollkommen, aber immerhin
bekommen die Kinder gleich einen Eindruck, was Wertvorstellungen sind und wo sie ihren Platz zu suchen haben. *zwinker*

Die Stadt meint dazu: Pech gehabt, ist schon alles unter Dach und Fach und Ihr habt gar nix zu sagen, denn das Gelände gehört Euch ja nicht.

Ein Mensch wird gemessen an seinen Taten.
Insofern bleibt die Hoffnung, dass die heutigen Kinder nicht vergessen.
Meine jüngste Tochter jedenfalls ist der Meinung: Mama, wenn die so weitermachen, ziehe ich weg wenn ich mal Kinder will.
Würden das alle machen, hätte Reinfeld sein anscheinend derzeit gestecktes Ziel erreicht: Rentnerparadies.
Nur schade, dass die Rentner von morgen die Eltern von heute sind ...

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